Über die Ausstellung im p91
Einführung in die Ausstellung von Gereon Riedel 08.11.2013 von Anneliese vom Scheidt
Häufige Gäste unserer Ausstellungen kennen mich und wissen, dass ich stets versuche, Ihnen mit meinen Worten die Künstler und ihre Arbeiten näher zu bringen. Ich nehme mir Zeit, um die Künstler näher kennen zu lernen und betrachte so ihre Werke nicht länger isoliert und abstrahiert. Mein Bild des Künstlers Gereon Riedel hat in den letzten Wochen und Tagen unserer Zusammenarbeit eine Wandlung erfahren.
Völlig unprätentiös, humorvoll, hin und wieder auch ernst, schilderte er mir, wie seine Arbeiten entstehen und welche Inspirationen ihnen zugrunde liegen.
Doch beginnen wir unten im Eingangsbereich…
Vor der Treppe im Flur weist der Koffer auf Rädern und mit einem Pinsel versehen den Weg zur Ausstellung hier oben. Der Koffer auf Rädern ist betitelt mit ARTtrip, ARTreise. Und auf diese ARTreise oder Kunstreise möchten wir Sie nun mitnehmen.
Nicht ohne Grund ist diese Ausstellung mit Arbeiten von Gereon Riedel unARTist betitelt. Sie hätte auch unARTig heißen können.
Jeder, der Gereon Riedel kennt, weiß sicherlich, warum ich das sage, wobei ich Gereon Riedel nicht als Rebellen der Kunst bezeichnen möchte; eher unangepasst, in kein Klischee zu stecken, geradeaus seinem Weg folgend, so sehe ich ihn.
Ein solcher Weg kann sehr steinig und lang werden, erfordert Mut, Durchhaltevermögen, den Verzicht auf manche Annehmlichkeit und dazu einen Partner oder eine Partnerin, die diesen Weg mitgeht.
Menschen, Figuren, Natur, Abstraktion, Überzeichnungen wie in Fuck Luck, prägen die Arbeiten des Künstlers, der schon als Kind immer nur Kunst machen wollte, doch erst einmal etwas Ordentliches lernen musste. Seine handwerkliche Ausbildung als Kupferschmied nutzt Gereon Riedel für seine oft lebensgroßen Metall- und Holzfigurationen, die leider in dieser Ausstellung keinen Platz mehr gefunden haben, doch gerne in seinem Atelier E1 im alten Wellenbad in Neurath angeschaut werden dürfen.
Gereon Riedel hat in den 80er Jahren begonnen, ernsthaft und beständig zu malen und zu zeichnen. Autodidaktisch, nur seinem inneren Drang folgend, entstanden Bilder, die mit den Jahren und Studien eine immer größere Reife erlangten. Ich freue mich, Ihnen diese Bilder nunmehr hier zeigen zu können.
Gereon Riedel ist ein Suchender; jemand, der oftmals gar nicht so schnell malen kann, wie ihm die Gedanken an ein Bild in den Kopf schießen. Dann wiederum gibt es Arbeiten, die viele Wochen und Monate erfordern, bis der Künstler mit seinem Werk zufrieden ist.
Das Bild mit dem Titel „ clash of together“ (blau/rot, kleiner Raum) ist ein solches Werk, das Zeit brauchte, eine Arbeit, die vielfache Übermalungen erforderte, ehe der Künstler sie freigab.
Häufig ist er lange auf der Suche nach dem Wahrheitsgehalt seines Bildes, seiner Aussage, dem Ausdruck……
Wenn er ihn nicht findet, den ersehnten Ausdruck in seinem Bild, landet die Arbeit im Müll, auch wenn Freunde anderer Meinung sind. Entweder es wird was oder es wird nichts. Ich male 5 Bilder und werfe 3 davon weg oder ich übermale sie, sagte er mir.
Oder er fertigt eine Arbeit aus seinen verworfenen Blättern.
Der Bildaufbau an sich entsteht einzig und alleine aus dem Impuls heraus, mittels Farbe und Material eigenes Empfinden auf die Leinwand zu projizieren. Eine Intuition, ein Erlebnis lässt den Künstler nicht los, bis es sich im fertigen Werk wiederfindet.
Die Auseinandersetzung mit der Natur, vor allem mit den Menschen, dem Menschsein an sich, dem Leben von seinen Anfängen bis zu seinem Ende, mit allen Zwischenstationen, sind die herausragenden Themen dieser Ausstellung. Und etliche der Werke von Gereon Riedel entbehren auch nicht einer gewissen Spur von Erotik. Liebe, Lust und Leidenschaft, Melancholie und Trauer, Momente der Freude, der Enttäuschung; Stationen des Lebens. Erfahrungen eben, die wir alle machen oder gemacht haben, bestimmen den Sinngehalt der Bilder von Gereon Riedel.
Schauen Sie einmal auf das kleinere Bild mit dem Titel Geburt. Es hängt nebenan. Ohne diesen Titel ist es interpretationsfähig; aber mit Titel bekommt es seinen gewollten Sinn. Ein winziger neuer Mensch ist auf dem Weg in die schrille, laute Welt. Mutter und Kind sind nicht allein; eine Person steht hinter ihnen und hilft den beiden.
Der große Maler Caspar David Friedrich hat es so formuliert: Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.
Gereon Riedel liebt den großzügigen Pinselstrich auf großem Malgrund. Da darf es auch mal ein Besen, Schrubber, Quasten oder Schwamm sein, um die Farbe vor sich herzutreiben, die meist schemenhaften Figuren, die oft den Anfang eines Bildes prägen, zu übermalen. Dabei benutzt der Künstler ganz unterschiedliche Techniken und Materialien. Acryl, Öl, Lack, Sprühfarbe gehören dazu, es kann auch mal Kaffee sein, wie auf dem großen Bild „I can do, me too“. Häufig werden andere Werk- und vermeintliche Abfallstoffe mit verarbeitet. Selbst das verschüttete Glas Rotwein in der Nacht schadet der Arbeit nicht.
Beim Anschauen der großformatigen Arbeiten kam mir gleich ein Zitat des Düsseldorfer Künstlers Günter Cremers, den ich hier vor ein paar Jahren ausgestellt habe, in den Sinn:
ein Bild malen
du kannst nicht klein probieren, was groß werden soll
du musst es groß probieren
gucken wie es geht; denn klein geht viel
aber groß ?? !!
Gereon Riedel bewegt sich gerne in seinen großen Bildern. Er taucht gleichsam in seine Arbeit ein und wird eins mit ihr. Darüber kann es früher Morgen werden. Ich kenne Künstler, die es erst nach einem langen Weg geschafft haben, auch großformatige Bilder zu malen. Hin und wieder gibt es ganz kleine Arbeiten von Gereon Riedel. Eine habe ich selbst, einige finden Sie hier.
Figürlich oder abstrakt: die Arbeiten von Gereon Riedel sind in keine Schublade zu stecken, folgen keinem Gebot der Malerei und haben keine Vorbilder. Er mag sich und seine Kunst auch nicht durch Mal- oder Zeichenkurse verbiegen lassen. Eine Ausnahme bildet die Aktmalerei. Die Ästhetik des menschlichen Körpers bestimmt viele seiner Arbeiten. Zu sehen beispielsweise in „Der Kuss“ oder „Die bevorstehende Umarmung“.
In seinen Arbeiten spielt Gereon Riedel ganz locker mit Figuration und Abstraktion, formuliert zurückhaltend und hintergründig die Fragen menschlicher Existenz und lässt dem Betrachter dennoch den Spielraum eigener Interpretation.
Gereon meinte zu mir: „Eigentlich mag ich es nicht, wenn man viele Worte über mich oder über meine Arbeiten macht; ich mag es eigentlich nicht, wenn man mich lobt“.
( was heißt schon eigentlich? Wat mut, dat mut!).
Gereon Riedel weiter: Der Betrachter soll sich, vielleicht auch mit Hilfe des Bildtitels, in die Arbeit hineinsehen, in der Abstraktion sein eigenes Bild, eigenes Erleben und Empfinden entdecken und sehr gerne auch mit mir sprechen.
Und das, liebe Gäste, können Sie jetzt bei einem Glas Wein gerne tun.
Anneliese vom Scheidt
08.11.2013