Mixed Media Installation „Denk . Mal“ in der ehem. Synagoge Hülchrath

Gereon_Riedel_Synagoge_Header01Mixed Media Installation für viele Denkanstösse: Raumobjekt, Filmprojektion, Akustik, Licht und malerisch und grafisch durchgestaltete Objekte. Zum Auftakt der Ausstellung von Gereon Riedel in der ehemaligen Synagoge Hülchrath am 18. November 2016 hält die einführenden Worte Katrin Bach.

Laufzeit: 18. November bis Ende Februar 2017. Aktion zum Holocaustgedenktag am 27. Januar 2017 sowie Verlängerung der Ausstellung bis Ende Februar 2017. Geöffnet jeweils samstags von 17 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung unter 0177/5478545.

Als ich noch zur Schule ging, habe ich vielfach erlebt, dass der Kunstlehrer, wenn er uns Schülern ein Kunstwerk im Unterricht präsentiert hatte , die bedeutungsschwangere Frage stellte: „Was will uns der Künstler damit sagen?“ Damals hätte ich gerne geantwortet: „Das ist mir völlig egal!“ Aber das hätte eine schlechte Note gegeben. Deshalb hielt ich den Mund. Und ich werde Sie sicher jetzt nicht fragen: „Was will uns der Künstler mit seiner Installation sagen?“ Erstens könnte das der Künstler Gereon Riedel selber beantworten, zweitens ist die Frage irrelevant. Denn: entscheidend ist viel eher, was jedem einzelnen von Ihnen das Kunstwerk sagt, und was es in Ihnen, den Betrachtern, auslöst.

GR_Synagoge01Gereon Riedel zeigt uns hier eine Mixedmedia Installation, die speziell für diesen Synagogenraum konzipert wurde. Der Künstler benutzt verschiedene Techniken in einem Werkkomplex. Hier sind es audiovisuelle Anteile, die die bildnerischen und architektonischen Elemente der Installation ergänzen. Im Zusammenspiel geben Raumobjekt, Filmprojektion, Akustik, Licht und malerisch oder grafisch durchgestaltete Objekte eine Gesamtheit: Ein Werk, das sich verschiedener Medien bedient, um zu seiner vollen Aussagekraft zu gelangen. Eigentlich also eine Multmedia Installation. Kunstwerke dieser Art sprechen alle Sinne des Betrachters an und führen zu einem ganzheitlichen Erleben, vorausgesetzt, der Betrachter lässt sich darauf ein.

GR_Synagoge_06 Betrachten wir die Rauminstallation näher:
In den recheckigen Innenraum dieses Synagogenbaus fügt sich die aktuelle Arbeit von Gereon Riedel perfekt ein. Hier ist es die archtektonische Komponente: ein langgestreckter Bau aus Rigipsplatten, der ein zweites Gehäuse innerhalb des Hauses bildet.
Ein Haus im Haus: hier wird eine weitere Ebene angesprochen. Das Haus ist generell Schutzraum für Menschen und Tiere, aber auch Versammlungsraum, Andachtsraum, Symbol für den leiblichen Körper,Versteck oder auch Gefängnis, es gibt viele Möglichkeiten.So werden hier auch verschiedene Bedeutungsebenen zusammengefügt. Zuerst aber fallen mannshohe Figuren auf, die mit ausgreifendem Schritt davonzueilen scheinen.Man ist von ihrer Erscheinung irritiert,bis einem auffällt:die Figuren sind eigentlichn kopflos! Etwas leuchtet dort anstelle des Kopfes,-alte Fahrradlampen sind das, die nur einen ganz eingeschränkten Lichtkegel zulassen. Mein erster Impuls war zu fragen: „Verfolger oder Verfolgte?“ Man kann sich alle möglichen Szenarien vorstellen. Ich sehe auch, dass die Figuren merkwürdig auf sich selber konzentriert wirken. Sind damit Menschen gemeint, die einfach nur wegkucken? Wegkucker, die in Ihrer Ruhe nicht gestört werden wollen? Eindeutig sind Riedels Figuren jedenfalls nicht. Zurück zum Gebäude im Gebäude:

GR_Synagoge03Ein mannshoher, einige Meter langer, nach oben geschlossener Gang fügt sich im rechten Winkel an die Wand der ehemaligen Synagoge hier in Hülchrath. Wer den durch dunkle Vorhänge abgeteilten Gang betritt, steht im Dunkeln, die Wände sind dunkel gestrichen, dunkle Vorhänge schützen vor Lichteinfall. Das heißt, ganz dunkel ist es nicht eigentlich, denn: Gereon Riedel arbeitet hier mit Schwarzlicht.
Und Schwarzlicht hat die Eigenschaft, dass nur bestimmte Gegenstände in diesem Licht leuchten, nämlich die, die UV-Licht besonders reflektieren. Hier also taucht man in einen mystisch dunklen Raum ein, in dem manche Gegenstände magisch blau leuchten.
Das kommt einem vor, wie ein Eintauchen in das Dunkel der Erinnerung, wie ein Eintauchen in verborgene Regionen des Gedächtnisses, das sich auf einmal an lange Vergangenes erinnert. Aus der Dunkelheit tauchen Fetzen von Bildern und Eindrücken auf, die vielleicht für irgend jemanden eine Bedeutung haben oder früher einmal hatten. Sind da Bezüge zum Ort zu entdecken? Was leuchtet da auf, was ist zu sehen, wer sind die Personen?

GR_Synagoge05Das hier Sichtbare kann im Betrachter Erinnerungen wecken, Verknüpfungen von Gedanken können neue Wege zeigen, Gefühle werden angesprochen. Und durch das Dunkel lenkt den Blick nichts ab vom Gegenstand, der blau leuchtet wie ein magisches Ding aus einer Wunderkammer. Der Künstler Gereon Riedel spricht hier das Unbewußte an. In Einmachgläsern, diemit Flüssigkeit gefüllt sind, schwimmen Fragmente von Bildern, von Skizzen oder Fotos, die mehr oder weniger eindeutig sind. Einmachgläser benutzt man zum Konservieren, zum Haltbarmachen. Was wurde hier haltbar gemacht? Erinnerungen an Menschen? Lebensmittel sicher nicht, vielleicht aber Überlebensmittel für die Seele? Gereon Riedel spielt mit Fragmenten von Erinnerungen, auch solchen, die im kollektiven Gedächtnis der Menschen eingebrannt sind, so wie das Foto des jüdischen Münchner Rechtsanwaltes, der von der gleichgeschalteten Polizei in der Nazizeit gezwungen wurde, barfuß auf der Strasse ein Schild zu tragen , auf dem stand:“ ich werde mich nie wieder bei der Polizei beschweren“. Man versuchte, ihn mit übelsten Methoden zu erniedrigen. Dieser Mann aber hatte seine Würde, trotz Bedrohung, nicht aufgegeben.

GR_Synagoge_08Oder das Bild, das den Vorfall zeigt, der als nine eleven in die Geschichte eingegangen ist.Wenn man jedoch genau hinschaut sieht man, dass es sich gar nicht um einen der New Yorker Zwillingstürme handelt, sondern um einen Ausstellungssockel im Atelier, dessen Abbildung mit künstlerischen Mitteln bearbeitet worden ist. Ein altes Paar sitzt auf einer Bank, auf dem Foto sehen sie uns an und scheinen it der Welt im Einklang zu sein. Ein anderes Weckglas enthält eine Nazirune, das Zeichen für die Gruppierung der Werwölfe, die in diesem Ort einen traurigen Ruhm erlangten. Ein weiteres Bild spielt deutlich auf die Nürnberger Rassengesetze im Dritten Reich an. So sind weitere Bilder , haltbar gemacht worden in Weckgläsern, sichtbar gemacht durch eine besondere Beleuchtung. Ein Bestandteil dieser Installation ist der Film, das bewegte Bild, begleitet von auf- und abschwellenden Geräuschen.

GR_Synagoge02Dieser Film wird an der zentralen Wand über der Rauminstallation abgespielt. Der Film wirkt wie eine zeitgeschichtliche Klammer, die in Bildern die Entwicklung hin zur Katatrophe zeigt. Gereon Riedel hat im Film Bilder gefunden, die sehr eindringlich sind. Immer wieder sieht man wuselnde Bienen auf ihren Waben, Sinnbild für gemeinschaftlich abgestimmtes Handeln. Die Entwicklung von der Idylle und der Normalität des Lebens, durch Golfspieler und Tierbilder verdeutlicht, steigert sich über Verfolgungsbilder eines rennenden,keuchenden Menschen zum Güterzug, der in jener Zeit eine zusätzliche Bedeutung erlangte. Und keine gute…
Der salut-übende Befehlsempfänger, der Künstler spielt diese Rolle selber,ist im Film bewußt hart schwarz-weiß gezeichnet.
Feuer, das Verbrennen, im Film von Gereon Riedel ebenfalls gezeigt, erinnert nicht nur an den Feuersturm des 2. Weltkrieges ,sondern auch an den Beginn der Unterdrückung, an Bücherverbrennung und die Reichs-Pogromnacht. Zum Schluß erscheint die Schrift: „Völkisch 1933-1945“, der Film von Gereon Riedel zeigt mit diesem Film eine verkürzte Form des Zeitlaufes, nämlich: „tausend Jahre“ im Zeitraffer.
Und auf die Gegenwart bezogen muss man leider sagen: die Geschichte geht weiter, wenn man an brennende Flüchtlingsheime denkt.
Wie ist das mit Erinnerungen, die wieder verschwinden im Dunkel der Geschichte, wenn man sie sich nicht immer wieder in Gedächtnis zurückruft? Ohne Erinnerung keine Zukunft heißt es. Erinnerung ist nötig für unsere eigene Identität.
GR_Synagoge_09Nun, wir wissen alle, was ab 1933 in Deutschland geschah, wir wissen, wie mit jüdischen Mitbürgern umgegangen wurde, wir kennen den verhängnisvollen Weg der Menschen ins Lager und deren systematische Vernichtung. Der kürzlich verstorbene große Max Mannheimer war Auschwitz-Überlebender und teilte seine Erinnerungen mit Schülern, denen er seit 1986 davon erzählte. Er sagte :

„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, -aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht“

In der Shakespeare-Zeit schrieb der englische PoetJohn Donne ein Gedicht mit folgendem Beginn:

„Niemand ist eine Insel, für sich allein“…

Donne hatte die Erkenntnis, dass unser aller Leben miteinander verzahnt sind, wir Menschen spiegeln einander, kurz: wir sind aufeinander angewiesen. Und so ist es um so erschreckender, in welcher Form der undifferenzierte Hass auf Andere, Andersartige, Fremde in unserer Gesellschaft um sich greift. Und auch, dass sich Vieles in der Anonymität abspielt, dass mit Wonne denunziert und diffamiert wird, am liebsten im Netz. Stammtischparolen und Verschwörungstheorien haben Hochkonjunktur. Gerne wird alles, was das eigene Weltbild bestätigt, ungeprüft übernommen. Zurück zum Film, der ein tragender Bestandteil dieser Instatllation ist:
Mit dem salut-übende Befehlsempfänger, und seiner pseudo-militärischen Geste wird die Gruppenzugehörigkeit und Gesinnung deutlich.
Blockwarte und Bürgerwehren fallen einem bei diesem Anblick ein. Leider greift diese Art der politischen Gesinnung immer weiter um sich.
Jede Flüchtlingsdiskussion findet grundsätzlich auf verminten Gelände statt. Das gab es, in abgewandelter Form schon einmal.
Wohin es geführt hat, wissen wir.
Wohin es führen wird, ahnen wir.
Ahnen wir mit Furcht.

Denn der Verdacht drängt sich auf, dass sich in der Geschichte der Menschen Dinge wiederholen.

„Das Schicksal des Menschen ist der Mensch“,

so heißt es bei Bert Brecht.Und da gilt es zu verhindern, dass es ein Vergessen gibt. Wenn nicht vergessen wird, lässt sich hoffentlich verhindern, dass sich eine Tragödie wie im dritten Reich wiederholt.
„Denk.Mal“ ist das Motto, unter dem diese Ausstellung steht.
Die menschliche Fähigkeit, Gewesenes mit Gegenwärtigem zu verbinden und verschiedene Bedeutungsebenen miteinander zu verknüpfen, lässt bei jedem Betrachter andere Erkenntnisse und Denkzusammenhänge zu.
So sind die Objekte des Künstlers Gereon Riedel vielschichtig, und das ist beabsichtigt.
Die Details dieser Installation bieten Projektionsflächen für persönliche Erfahrungen und Erlebnisse, sie lösen Erinnerungen aus oder berühren unsere Gefühle. Und:sie stellen einen Bezug zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation in Deutschland her.
Der Maler, Schriftsteller und Kunstkritiker John Berger, der in diesen Tagen 90 Jahre alt wurde, sagte sinngemäß in seinem Buch mit dem Titel „von ihrer Hände Arbeit“, dass der Künstler kein Schöpfer sei, sondern eher so etwas wie eine Art Durchlauferhitzer von Zeitgeschichte, jemand, der mit seinen Mitteln auf Ereignisse und Strömungen reagiert.
Und so ist auch Gereon Riedel ein Künstler, der mit seiner Arbeit auf Politik, Gesellschaft und Lebensumfeld reagiert.
Was treibt einen Künstler an, sich mit einem so sperrigen Thema zu beschäftigen?
Das ist die Botschaft, die der Künstler an uns richtet:
Gereon Riedel hat eine Botschaft an uns, die Betrachter.

Der Sänger Wolf Biermann sagte in einem Interview:
„Man geht im Streit der Welt nicht an den Schlägen zugrunde,
die man eingesteckt hat, sondern an denen, die man nicht austeilen konnte“.

GR_Synagoge02Und welche Rolle spielen wir dabei, wir, die Betrachter ?
Selbstbewußt sollten wir uns eingestehen, dass ein Kunstwerk, wenn es nicht betrachtet wird, zwar einen materiellen Wert behält, seinen ideellen Wert aber nicht ausspielen kann. Kunstwerk und Betrachter stehen also in einer Beziehung zueinander.
Hierzu ein Wort von Oskar Wilde über die Kunst- und über uns, die Betrachter:“Alle Kunst ist zugleich Oberfläche und Symbol.
Wer unter die Oberfläche dringt, tut es auf eigene Gefahr.Wer dem Symbol nachgeht, tut es auf eigene Gefahr.
In Wahrheit spiegelt die Kunst den Betrachter und nicht das Leben.“
Die Kunst, die Gereon Riedel macht, braucht den Betrachter, denn sie hat durchaus appellativen Charakter.
Diese Art Kunst appeliert an uns,damit wir uns auseinandersetzen.
Pablo Picasso sagte einmal:

Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit erkennen lässt.‘‘

Und um durch Kunst zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit zu gelangen, geht es hier. Gereon Riedel hat mir die Parabel von den zwei Wölfen erzählt. Dieses Gleichnis hat mich sehr beeindruckt, weil es zur indifferenten Stimmung in unserer aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation passt. Den Text hat er an die Wand geschreiben, er ist lesenswert.

Aber jetzt nochmal die schreckliche Frage:
was will uns der Künstler mit seiner Rauminstallation sagen?
In diesem Falle weiß ich die Antwort, und Sie wissen sie auch,
denn die steckt schon im Motto dieser Ausstellung:
„Denk mal“.
Denk mal nach…
Und ….Stoff zum Nachdenken hat uns Gereon Riedel hier reichlich angeboten.

Ich danke ihnen für´s Zuhören

Katrin Bach, am 18.November 2016

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